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Die Verbandsgemeinde Lingenfeld verschickt aktuell neue Grundsteuerbescheide. In Freisbach haben wir die Steuerhebesätze nicht verändert; sie bleiben auf dem für uns niedrigsten möglichen Niveau (Nivellierungssatz RLP).
Die Grundsteuer wird so berechnet:
Grundsteuerwert x Steuermesszahl x Hebesatz
- Grundsteuerwert: Seit 2019 wurden alle Immobilien und Grundstücke neu bewertet. Jeder Eigentümer hat bis 2023 dazu einen Bescheid bekommen. Grund dafür war ein Urteil des Verfassungsgerichts, das die alte Bewertung (über 50 Jahre alt) für verfassungswidrig erklärte. Ziel der Reform war es, die Steuerlast gerechter zu verteilen, nicht höhere Einnahmen zu erzielen („Aufkommensneutralität“).
- Steuermesszahl – wird zentral vorgegeben:
- bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben: 6 Promille
- bei Einfamilienhäusern: 2,6 Promille
- bei Zweifamilienhäusern: 3,1 Promille
- bei sonstigen Immobilien: 3,5 Promille
- Hebesatz – wird von der Ortsgemeinde festgelegt: Freisbach nutzt die Nivellierungssätze des Landes als Minimum. Unterschreiten wir diese Sätze, müssen wir auf Landesgelder verzichten und dennoch Umlagen an den Landkreis und die Verbandsgemeinde zahlen. Dies können reiche Gemeinden vielleicht leisten – Freisbach nicht.
Das Gesetz zum kommunalen Finanzausgleich (KFA) verhindert, dass wir die Grundsteuerhebesätze aufkommensneutral ansetzen können. Das Grundsteuerreformgesetz von 2019 zwingt uns, ab dem 1.1.2025 eine neue Steuersatzung zu haben. Einige Bundesländer weichen vom Bundesmodell ab, um Ungleichheiten zu vermeiden. Rheinland-Pfalz folgt dem Bundesmodell, arbeitet aber an einem Gesetz, um Anpassungen auf kommunaler Ebene zu ermöglichen.
Fazit für Freisbach: Eine Steuererhöhung durch die Hintertür! Wir wollten die Aufkommensneutralität in Freisbach umsetzen, aber das Haushaltsrecht lässt es nicht zu. Freisbach hat ein großes Haushaltsdefizit und hohe Schulden aufgebaut. Eine Steuersenkung ist daher Wunschdenken.
Wir protestieren gegen die mangelnde Finanzierung unserer Pflichtaufgaben durch die Landesregierung. Der Rücktritt von Gemeinderat und Ortsbürgermeister 2023 hat auf die Finanzprobleme kleiner Kommunen aufmerksam gemacht und eine große öffentliche Diskussion ausgelöst. Ein erneuter Rücktritt würde zwar Aufsehen erregen, ist aber nicht zielführend. Gegen eine Erhöhung der Sätze über die Nivellierungssätze haben wir uns 2023 und 2024 erfolgreich gewehrt – diese 2025 zu unterschreiten ist nicht möglich.
Jochen Ricklefs
Ortsbürgermeister
Fragen und Antworten zur Grundsteuerreform
Wann wurde die Grundsteuer reform umgesetzt?
Die Grundsteuerneuberechnung wurde unter der Regierung von Angela Merkel in der Legislaturperiode 2017–2021 umgesetzt. Der Anstoß dazu war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 2018, das die bisherige Berechnung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärte. Die Reform wurde dann mit dem Grundsteuer-Reformgesetz (GrStRefG) im November 2019 verabschiedet.
Die Neuberechnung der Grundsteuer trat jedoch erst ab dem 1. Januar 2025 in Kraft, nach einer Übergangsphase, die für die Umsetzung auf Länderebene vorgesehen war.
Warum war die Grundsteuerneuberechnung notwendig?
ie Grundsteuerneuberechnung wurde notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht am 10. April 2018 entschieden hat, dass die bisherige Berechnungsgrundlage der Grundsteuer verfassungswidrig war. Die Gründe dafür waren:
- Veraltete Bewertungsgrundlagen:
- Die bisherige Berechnung basierte auf sogenannten Einheitswerten, die in den alten Bundesländern zuletzt 1964 und in den neuen Bundesländern sogar 1935 festgelegt wurden.
- Diese Einheitswerte spiegelten die tatsächlichen Immobilien- und Grundstückswerte nicht mehr realistisch wider. In Regionen mit stark gestiegenen Immobilienwerten zahlten Eigentümer oft zu wenig Grundsteuer, während in Regionen mit stagnierenden oder fallenden Werten zu viel gezahlt wurde.
- Gleichheitsprinzip verletzt:
- Die veralteten Bewertungsgrundlagen führten zu einer erheblichen Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen. Grundstücke mit gleichem Verkehrswert wurden unterschiedlich besteuert, je nachdem, in welchem Bundesland oder welcher Region sie lagen.
- Das verstößt gegen das im Grundgesetz verankerte Gleichheitsprinzip (Artikel 3 GG).
- Urteil des Bundesverfassungsgerichts:
- Das Gericht forderte den Gesetzgeber auf, die Grundsteuer bis spätestens Ende 2019 neu zu regeln. Für die Übergangsphase wurde eine Frist bis Ende 2024 gesetzt, damit die neue Berechnungsmethode implementiert werden kann.
Die Grundsteuer ist eine wichtige Einnahmequelle für die Kommunen, weshalb eine verfassungskonforme und gerechte Regelung notwendig war, um die Finanzierung der kommunalen Infrastruktur sicherzustellen.
Warum dürfen verschuldete Gemeinden und Kommunen ihre Grundsteuersätze nicht senken, um die Steuerkosten für Eigentümer gleich zu halten?
Verschuldete Gemeinden und Kommunen können ihre Grundsteuersätze in der Regel nicht einfach senken, um die Steuerbelastung für Eigentümer stabil zu halten, weil sie an finanzielle und gesetzliche Zwänge gebunden sind. Die wichtigsten Gründe dafür sind:
1. Haushaltslage der Kommunen
- Verschuldete Kommunen stehen oft unter der Aufsicht von Kommunalaufsichtsbehörden (z. B. auf Landesebene). Diese Behörden überwachen die Finanzen und verlangen, dass die Gemeinden Maßnahmen zur Konsolidierung ihres Haushalts ergreifen.
- Ein wichtiger Teil dieser Konsolidierungsmaßnahmen ist das Ausschöpfen aller Einnahmequellen, einschließlich der Grundsteuer. Eine Senkung der Grundsteuer widerspricht diesem Ziel und würde die finanzielle Situation weiter verschlechtern.
2. Pflicht zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben
- Kommunen sind gesetzlich verpflichtet, grundlegende öffentliche Leistungen und Infrastruktur (z. B. Schulen, Straßen, Abwasserentsorgung) bereitzustellen. Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen, die zur Finanzierung dieser Aufgaben dient.
- Eine Senkung der Grundsteuer würde das verfügbare Budget der Kommunen reduzieren, was sich negativ auf diese öffentlichen Leistungen auswirken könnte.
3. Steuerliche Hebesätze als Anpassungsinstrument
- Die Hebesätze der Grundsteuer werden von den Gemeinden individuell festgelegt, um die Einnahmen an den jeweiligen Finanzbedarf anzupassen. Bei einer Reform, wie der Grundsteuerreform, bei der sich die Bemessungsgrundlage verändert, können Kommunen theoretisch die Hebesätze anpassen, um extreme Steuererhöhungen oder -senkungen abzufedern.
- Aber: Bei verschuldeten Kommunen wird der Hebesatz oft schon ausgereizt, sodass kein Spielraum für eine Senkung bleibt.
4. Kommunale Selbstverwaltung und Verantwortung
- In Deutschland haben Kommunen das Recht auf Selbstverwaltung, was auch die Festsetzung der Steuern umfasst. Gleichzeitig sind sie jedoch verantwortlich für die eigene Haushaltsführung. Eine bewusste Senkung der Grundsteuer könnte als unverantwortlich angesehen werden, wenn die Kommune bereits verschuldet ist.
5. Reform der Grundsteuer und mögliche Umverteilung
- Die Grundsteuerreform kann dazu führen, dass in bestimmten Gemeinden die Steuerlast für einzelne Eigentümergruppen steigt, während sie für andere sinkt. Die Kommunen können zwar die Hebesätze anpassen, müssen jedoch sicherstellen, dass sie insgesamt weiterhin genügend Einnahmen erzielen.
- Bei verschuldeten Kommunen steht die Notwendigkeit, Einnahmen zu generieren, über dem Wunsch, Steuerlasten auszugleichen.
Wie hängen die Nivellierung des Hebesatzes und der Länderfinanzausgleich zusammen?
Die Nivellierung des Hebesatzes und der Länderfinanzausgleich stehen in einem engen Zusammenhang, weil beide Instrumente darauf abzielen, finanzielle Unterschiede zwischen Regionen bzw. Kommunen und Ländern in Deutschland auszugleichen. Die Nivellierung des Hebesatzes spielt dabei eine wichtige Rolle im Kontext des Länderfinanzausgleichs. Hier die Zusammenhänge im Detail:
1. Nivellierung des Hebesatzes – Was ist das?
Die Nivellierung des Hebesatzes bedeutet, dass für den Länderfinanzausgleich nicht die tatsächlich festgelegten Hebesätze der Grundsteuer in einer Gemeinde berücksichtigt werden, sondern ein fiktiver, einheitlicher Hebesatz (auch „Nivellierungshebesatz“ genannt). Dieser Nivellierungshebesatz liegt meist über den durchschnittlichen Hebesätzen, die Gemeinden tatsächlich anwenden.
Warum wird das gemacht?
- Um zu verhindern, dass finanzschwache Gemeinden absichtlich niedrige Hebesätze festlegen und dadurch geringere Einnahmen erzielen. Andernfalls könnten solche Gemeinden von höheren Zahlungen aus dem Finanzausgleich profitieren, was dem Prinzip der Eigenverantwortung widerspricht.
- Der Nivellierungshebesatz zwingt Gemeinden dazu, ihre Steuerkraft weitgehend auszuschöpfen, bevor sie zusätzliche Mittel über den Finanzausgleich erhalten.
2. Steuerkraftmesszahl im Länderfinanzausgleich
Die Steuerkraftmesszahl ist eine Kennziffer, die im Länderfinanzausgleich verwendet wird, um die Finanzkraft eines Bundeslandes zu berechnen. Sie setzt sich aus den Steuereinnahmen der Länder zusammen, einschließlich der Einnahmen aus der Grundsteuer.
Rolle der Nivellierung des Hebesatzes:
- Bei der Berechnung der Steuerkraftmesszahl wird davon ausgegangen, dass alle Gemeinden mindestens den Nivellierungshebesatz anwenden. Liegt der tatsächliche Hebesatz einer Gemeinde darunter, wird dennoch so gerechnet, als hätte sie den höheren, nivellierten Hebesatz angesetzt.
- Auf diese Weise wird die Steuerkraft der Gemeinden realistisch dargestellt und verhindert, dass Länder mit besonders vielen Gemeinden niedriger Hebesätze „künstlich“ als finanzschwach erscheinen.
3. Auswirkungen auf den Länderfinanzausgleich
- Der Länderfinanzausgleich hat das Ziel, finanzielle Unterschiede zwischen den Bundesländern auszugleichen. Hierbei spielt die Steuerkraft (einschließlich Grundsteuer) der Gemeinden in einem Bundesland eine zentrale Rolle.
- Durch die Nivellierung des Hebesatzes wird sichergestellt, dass Länder mit schwachen Einnahmen nicht zu stark bevorzugt werden, wenn die Gemeinden in diesen Ländern niedrigere Hebesätze festgelegt haben.
Beispiel:
- Land A mit niedrigen Hebesätzen könnte ohne Nivellierung fälschlicherweise als finanzschwach erscheinen, weil seine Gemeinden weniger Grundsteuer einnehmen.
- Durch die Nivellierung wird jedoch berechnet, wie hoch die Einnahmen wären, wenn die Gemeinden den Nivellierungshebesatz genutzt hätten. Dadurch wird die tatsächliche Finanzkraft des Landes realistischer erfasst.
4. Ziel: Fairness und Eigenverantwortung
Die Nivellierung des Hebesatzes stellt sicher, dass Kommunen und Länder ihre Finanzkraft möglichst effektiv nutzen, bevor sie zusätzliche Mittel aus dem Länderfinanzausgleich erhalten. Damit wird das Prinzip der Eigenverantwortung gestärkt und verhindert, dass finanzielle Ungleichheiten zwischen den Bundesländern durch bewusst niedrig angesetzte Steuersätze verschärft werden.
Fazit:
Die Nivellierung des Hebesatzes sorgt dafür, dass die Finanzkraft eines Bundeslandes im Länderfinanzausgleich nicht künstlich geringer erscheint, weil Gemeinden niedrigere Hebesätze festlegen. Sie stellt somit sicher, dass der Finanzausgleich fair und effizient bleibt, und motiviert Kommunen, ihre Steuerquellen bestmöglich auszuschöpfen. Das stärkt die Eigenverantwortung der Kommunen und verhindert Missbrauch oder falsche Anreize im System.